Das mag eine komische Frage sein. Aber wie ist das bei dir: Öffnest du dich dir selbst ganz und gar? Erlaubst du dir hinzuschauen ohne Wertung?
Allein nur zu schauen, daran bin ich unzählige Male gescheitert. Ich hab mich nicht ausgehalten, hab nicht ertragen verletzbar und schwach zu sein, selbst wenn das im Aussen niemand sah. Das vor mir selber zuzugeben, erschien mir unmöglich.
Ich glaube, dass das vielen Menschen so geht. Wir halten uns lieber ständig beschäftigt, hetzen auch noch in der Freizeit von Termin zu Termin getrieben vom Bedürfnis doch endlich zu vergessen.
Am liebsten würden wir die ganzen Hintergrundgeräusche ausstellen und leben, einfach leben.
Hintergrundgeräusche AKA Gefühle nehmen viel Raum ein, gerade dann, wenn wir Zeit haben, drängen sie an die Oberfläche. Ich hab LEBEN immer verwechselt mit mich ausknipsen. Leben ist nicht der Zustand, wo alles problemfrei und schön ist.
Leben ist das, was jetzt dran ist in diesem Moment in mir. Jahrzehnte hab ich damit zugebracht dagegen anzukämpfen, Gefühle zu vermeiden und mich gedanklich wegzunehmen in einen Raum irgendwo zwischen Vergangenheit und Zukunft. Ich wollte nicht hier sein. Ständig an mein Innenleben angeschlossen zu sein und in Echtzeit damit zu interagieren, war mir zu mühsam und schmerzhaft.
Dagegen bot das Leben im Kopf Kontrollierbarkeit, Illusionen und scheinbare Sicherheit. Ich musste nichts davon im wirklichen Leben überprüfen und eventuell scheitern. Ich konnte mir alles schön denken.
Wenn ich im Kopf lebe, hat das auch Auswirkungen auf mein Lebensgefühl. Ich fühle mich so eigenartig losgelöst, unsicher und ängstlich. Zufriedenheit, tiefe innere Erfüllung sind so unerreichbar. Und doch hab ich gemacht, getan, verdreht, geschoben, gezogen – alles um nicht zu fühlen. Es geht eigentlich immer um Schmerzvermeidung, weil wir der Illusion aufsitzen, dass das zu sehr weh tut und wir das nicht aushalten. Das ist die kleine kindliche Version von uns die da redet.
In Wahrheit ist es genau andersrum: wenn alles was in mir aufploppt auch zeitnah gefühlt und integriert wird, dann ist das Leben einfach und klar. Das zu begreifen, braucht oft ein ganzes Leben lang.